Die Veranstalter des Galerienrundgang Stuttgart
Der Galerienrundgang Stuttgart ART ALARM wird von der Initiative Stuttgarter Galerien zeitgenössischer Kunst e.V. veranstaltet.
Die Galerist:innen des Galerienrundgang Stuttgart im Porträt
25 Jahre! Die Entwicklung des Art Alarm
Gemeinsam mehr erreichen
Im Jahr 2000 proben 22 Galerien einen Schulterschluss, wie es ihn in dieser Zahl und in dieser Breite der Positionen in Stuttgart noch nicht gegeben hat. Der Art Alarm wird ausgerufen – als einer der ersten Rundgänge in Deutschland. Von Beginn an geht es darum, die reale und auch die gedachte Schwellenangst des Publikums zu senken. Es geht darum, einzuladen. In die jeweilige Galerienwelt, aber auch nach Stuttgart insgesamt. Viel wird seinerzeit über die soft skills debattiert, die gerade eine vom Maschinenbau geprägte Stadt wie Stuttgart brauche, um attraktiv zu sein und zu bleiben – und ja, das Städte-Ranking ist zunehmend auch politisch ein Thema.
Gerd Dieterich, seinerzeit Kunstreferent im Kulturamt der Stadt Stuttgart, beflügelt die Hoffnungen einiger Galeristinnen und Galeristen, gemeinsam mehr erreichen zu können. Jedoch benötigte es für eine öffentliche Unterstützung einen Verein, der vor allem für die Kommunikation benötigte Gelder verwalten kann. Die Initiative Stuttgarter Galerien zeitgenössischer Kunst gründet sich. Nicht leicht zu merken, aber doch erweist sich der eingetragene Verein – mit den Gründungsmitgliedern Angelika Harthan, Rainer Wehr, Christine und Dieter Mueller-Roth sowie Jörg Walz – als verlässlicher Partner der Stadt Stuttgart.
Das Ziel: Ein gemeinsames Ereignis
Die Liste des ersten Art Alarm-Galerienwochenendes im September 2000 verzeichnet Reinhard Hauff ebenso wie Christine und Dieter Mueller-Roth, Brigitte March und Michael Sturm, aber auch Gertrud Dorn und die Manus Presse. Im Folgejahr stoßen auch die Galerien Valentien und Keim dazu. Kunstwelten und Vermittlungspositionen von der Programmgalerie bis hin zur Pflege der Moderne prallen aufeinander und ergänzen sich doch. Doch was bleibt von der Debatte über die Frage, ob man sich in der Kunst überhaupt auf die Form des bewusst gesuchten, ja inszenierten Ereignisses stützen sollte? Vor allem Rainer Wehr plädiert im Kreis der Kolleginnen und Kollegen wie auch in der Öffentlichkeit für ein mehr an Ereignis. »Nur durch das Ereignis, nur durch den Event«, sagte Rainer Wehr Ende der 1990er Jahre und bekräftigt es heute, »bekommen wir ein breiteres Publikum in die Galerien. In ›elitärer Schönheit‹ sind wir zu lange gestorben.«
Die Medien, im Tageszeitungsbereich seinerzeit auch über ihre Kulturressorts im Wettbewerb, nehmen die Art Alarm-Vorlagen gerne auf. In Stuttgart bewegt sich etwas – das ist der Grundtenor. Wichtiger aber ist eine zweite Lesart: In Stuttgart lässt sich etwas bewegen. Ein von der Stadt Stuttgart unterstütztes Faltblatt weist die Wege zu den Art Alarm-Stationen – »seinerzeit ein wirklicher Sprung nach vorn«, erinnert sich Michael Sturm.
Der Art Alarm zeigt Wirkung
Aus heutiger Sicht liest sich die erste Art Alarm-Teilnehmerliste als Zeugnis der Veränderung: Die Galerien 14-1, Franke, Hammelehle und Ahrens, Harthan, Helm/Reiswig, Hill, Hollenbach, Insel, Königsblau, Mack, Merkle und Naumann sind 2024 ebenso Geschichte wie auch die Galerien Wahlandt und Wehr. Die anhaltenden Veränderungen der Folgejahre belegen indes auch: Der Galerienrundgang Art Alarm zeigt im eigenen Feld Wirkung. Wer das Galeristsein wagt, drängt in die Art Alarm-Phalanx. Klaus Peter Goebel etwa (2001–2003), Hoss und Wollmann (2003–2005) oder Tanner (2005–2006) sowie Sabine Salome Schwefel (2005–2011) und andere mehr.
Einige, die kommen, prägen den gemeinsamen Antritt unmittelbar mit: seit 2003 die Galerie Schlichtenmaier, seit 2006 Karin Abt-Straubinger mit ihrer Galerie ABTART, seit 2008 Klaus-Gerrit Friese, aber auch Sandro Parrotta und Anja Rumig, seit 2009 Mario Strzelski sowie Dengler und Dengler, seit 2011 Marko Schacher, als auch seit 2013 Thomas Fuchs. 2015 folgen die Galerien Z und Braunbehrens. Für sie wie für ihre Art Alarm-Kolleginnen und Kollegen bleiben vor allem zwei zentrale Fragen: Welches Maß an Vermittlung auf welchen Wegen ist wichtig und welches Angebot ist notwendig um die – bedingt durch Stuttgarts Topografie – zum Teil weit auseinanderliegenden Galerierundgang-Stationen möglichst einfach erreichen zu können. Ein Art Alarm-Shuttleservice ist eine erste Antwort. Bald aber zeigt sich: Auch Art Alarm-Einsteiger lassen sich gerne treiben, verweilen hier, ziehen dort schnell weiter, entwickeln so ihr eigenes Tempo. Umso mehr, als die digitalen Angebote schnell und konsequent ausgebaut werden. Wie attraktiv der Galerienrundgang ist, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass die Zeitungsgruppe Stuttgart über die »Stuttgarter Nachrichten« einige Jahre eine Art Alarm-Bustour anbieten. Doch diese Möglichkeit muss sich auf Galerien im Stadtzentrum beschränken.
Galeristinnen und Galeristen demonstrieren
Kurz: Der Galerienrundgang Art Alarm zeigt Wirkung über das eigentliche Galerienwochenende hinaus. Für das Publikum ebenso wie für die Galeristinnen und Galeristen. Entsprechend sind viele Galerien mit dabei, als Stuttgarts Kulturszene im Februar 2009 gegen geplante Kürzungen im Kulturhaushalt der Stadt protestiert. Das Ziel dieses „einmaligen, Sparten übergreifenden solidarischen Zusammenschlusses der Kulturinstitutionen und Kulturschaffenden“ ist »(e)ine langfristige, fördernde, den Einrichtungen, Künstlerinnen und Künstlern zugewandte sowie inhaltlich begründete Kulturpolitik«.
Das neue Selbstbewusstsein resultiert auch aus der Nachfrage. Nicht zuletzt die steigenden Führungsangebote externer Anbieter, unter anderem von der Kulturgemeinschaft, stellen neue Fragen: Muss man vielleicht gar über das Galerienwochenende hinausgehen? 2018, der Art Alarm ist längst feste Größe, wird das Galerienwochenende Art Alarm erstmals unausgesprochen zur Stuttgart Art Week. Am Montag wird in den Atelierhäusern in der Reitzensteinstraße öffentlich über die Frage »Wie arbeiten Künstlerinnen und Künstler« debattiert, am Mittwoch geht es in der Galerie Michael Sturm mit »Wie arbeiten Galerien?« beziehungsweise »Wie unterschiedlich arbeiten Galerien?« weiter, am Samstag starten in der Galerie Parrotta bestens nachgefragte Führungsangebote.
Düstere Prognosen in der Pandemie
Was 2020 folgt, entspricht der Logik der Pandemie und der ergriffenen Maßnahmen. Das Frühjahr über gibt es auch in der Kunst nur ein Schild: Geschlossen. Der Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler sieht für seine Mitglieder Einnahmeausfälle von 60 bis 100 Prozent. Angst geht um – und doch sagt Imke Valentien seinerzeit: »Im Unterschied zu Berlin besitzt Stuttgart eine sehr loyale Sammlerszene.« Und auch auf den digitalen Handel als mögliche zweite und sich mit der Pandemie beschleunigende Gefahr reagiert Imke Valentien seinerzeit: »Kunst«, sagt sie der »Stuttgarter Zeitung«, »lebt von der Magie des Originals und der Kommunikation im realen Ausstellungsraum.«
2021 gibt es den Art Alarm auch im Frühjahr
Folgerichtig wagen die Art Alarm-Organisatoren 2021 als Reaktion auf die Pandemie den nächsten Schritt: Auch im Frühjahr findet, neben der Herbstveranstaltung ein Galerienwochenende statt – »schon, um die zeitlichen Abstände zwischen den Ereignissen nicht zu groß werden zu lassen«, wie es Thomas Fuchs, als damaliger Vorsitzender der Initiative, seinerzeit sagt. Das Umfeld scheint günstig: Ob Tobias Rehbergers Auftritt im Kunstmuseum, das Solo von Carrie Mae Weems im Württembergischen Kunstverein – immer garantieren Fernsehkameras bundesweite Präsenz.
Kurz: So wie der Art Alarm die Kunststimmung in der Region Stuttgart mit beeinflusst, so beeinflusst umgekehrt die Attraktivität des Umfeldes den Galerienrundgang. Eben dies spiegelt Adrienne Braun im Mai 2022, wenn sie in der »Stuttgarter Zeitung« fragt: »Wird in Stuttgart die richtige Kunst gezeigt?«
Die letzten Neuzugänge, die Galerien Frölich in Feuerbach sowie die EXOgallery und die Galerie Lauffer im Westen Stuttgarts bereichern mit ihren Konzepten das Spektrum des Rundgangs. Mit 21 Galerien also geht der als Art Alarm gegründete Galerienrundgang Stuttgart nun ins Jubiläum.
Willkommenskultur ist mitentscheidend
Umso wichtiger ist jene Willkommenskultur, die schon lange das Kunstmuseum Stuttgart bestimmt und inzwischen auch der Staatsgalerie Stuttgart neue Publikumskreise erschließt. Immer sind diese Erfolge mit Kooperationen verbunden, mit neuen Allianzen – wie in der Staatsgalerie jüngst mit dem Fotosommer Stuttgart, eine Bestätigung auch für das mit den Namen der Foto-Galerien Kernweine, Ute Noll sowie Angelika und Markus Hartmann verbundene Gewicht von Fotografie und Kunst mit Fotografie für den Standort Stuttgart. Uno Art Space Ute Noll und Hartmann Projects bilden seit Anfang 2024 mit der Galerie Imke Valentien einen erfreulichen neuen Knotenpunkt des Rundgangs im Stuttgarter Süden.
Neue Orte, neue Gewichte
Mit Schacher Raum für Kunst an dem für die Galerienszene geschichtsträchtigen Ort in der Blumenstraße – einst Bühne für die programmatischen Ausstellungen der Galerie Mueller-Roth – bekommt die Rundgangroute von der Innenstadt über die Galerie Klaus Braun hin zu Andreas Henn einen großartigen neuen Anziehungspunkt in Richtung Eugensplatz. Nicht weniger wichtig: Auch außerhalb der aktuellen Art Alarm-Riege von 21 Galerien gewinnt der Standort an Substanz.
Debatte zum Jubiläum
Erstmals im Herbst 2000 veranstaltet, kann der Art Alarm nun Jubiläum feiern – 21 Stuttgarter Galerien öffnen am 21. und 22. September ihre Türen für einen ganz besonderen Galerienrundgang mit einem Jubiläumsempfang im StadtPalais Stuttgart und geführten Rundgängen. Das Kunstmuseum Stuttgart gibt auf eigene Weise Rückenwind – und eröffnet am Freitag, 20. September, eine Retrospektive der britischen Starkünstlerin Sarah Morris.
Jubiläum voller Antritte
25 Jahre Galerienrundgang Art Alarm – das ist ein Moment für Gespräche. Auch für das Erinnern – an die Kraft vorangegangener Schulterschlüsse, die ebenso eine lang nachwirkende Ausstellung wie „Europa‚79“ ermöglichten wie auch einen „Galeriesamstag“ als unmittelbaren Vorgänger des Galerienrundgangs Art Alarm. Vielleicht auch für eine Neubewertung der gerade durch die Eigendynamiken der Privatgalerien geprägte Vielfalt des Kunststandortes Stuttgart. Die Unterstützung des Kulturamtes der Stadt Stuttgart für das Art Alarm-Jubiläum ist so auch eine Investition in die Zukunft. Ein Signal, dass die Privatgalerien in Stuttgart als wesentliche Impulsgeber für den Kunststandort gesehen werden.